100-Wörter-Geschichte: Das Ende

Ein Drahtseil hängt lose vor einer grauen Wand. Symbolbild für die 100-Wörter-Geschichte "Das Ende".

Drei Schritte, dann hat er es geschafft. Die langen Jahre, die entbehrungsreichen Proben haben sich ausgezahlt.

Die Anspannung lässt nach, er atmet langsam aus.

Als die Musik beginnt, lächelt er. Sein Blick geht ein letztes Mal hinab zum schwingenden Untergrund.

Noch zwei Schritte. Er streckt die Arme aus, stabilisiert sein Gleichgewicht. Er hört seine Tochter lachen, die er für diesen allerletzten, herausragenden Auftritt auf den Schultern trägt.

Er winkt zum Publikum, hebt den Fuß ein letztes Mal, setzt ihn auf das dünne Drahtseil.

Ein Windstoß, eine Unachtsamkeit? Als er den Boden sieht, schließt er die Augen.

Es ist das Ende.


Die 100-Wörter-Geschichte „Das Ende“ geht auf die wahre Geschichte des Wiener Seiltänzers Josef Eisemann (1911 – 1949) zurück.
Sie wurde inspiriert durch die Folge „Josef Eisemann, Seiltänzer aus Wien“ vom wunderbaren Podcast Geschichte aus der Geschichte.

Sebastian

Ich bin der Mensch hinter 100WÖRTER. Beruflich mache ich ein bisschen was mit Schreiben, ein bisschen was mit Internet und ein bisschen was mit Organisation. Und irgendwann hatte ich keine Lust mehr auf lange Texte im Internet. Deshalb habe ich 100WÖRTER gegründet und schreibe kurze Texte.

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